Alle Jahre wieder… meist kurz vor Weihnachten ist es in vielen Unternehmen wieder soweit, die jährlichen Beurteilungsgespräche mit dem Vorgesetzten stehen an. Beurteilt wird die Leistung der Untergebenen, um beispielsweise die Höhe der Gratifikationen festzulegen, Beförderungen auf den Weg zu bringen, Ziele und Entwicklungsbedarfe zu bestimmen oder einfach um zu noch besseren Leistungen anzuregen.
Doch sind Vorgesetzte überhaupt gut darin, die Leistung ihrer Untergebenen einzuschätzen?
Zunächst stellt sich die Frage, an Hand welcher Kriterien die Beurteilung erfolgt.
Schaut man sich die gebräuchlichen Beurteilungsbögen an, fällt auf, dass üblicherweise hochgradig abstrakte Bewertungskriterien wie Teamfähigkeit, Engagement, Arbeitsqualität oder Fachkompetenz und Kundenfreundlichkeit etc. beurteilt werden sollen. Da Vorgesetzte ihre Untergegeben in den wenigsten Fällen auf Schritt und Tritt begleiten werden, drängt sich die Frage auf, wie sie all diese abstrakten, also im Einzelfall auslegungsbedürftigen, Kriterien objektiv und nachvollziehbar, sprich über alle Untergebenen gleich, beurteilen wollen. Hinzu kommen die genutzten Skalen, die, da meist nicht genauer definiert, genauso unspezifisch und damit der subjektiven Auslegung preisgegeben sind, wie die zu beurteilenden Kriterien.
Wenn die zum Einsatz kommenden Beurteilungsbögen schon nicht über jeden Zweifel erhaben sind, sind es dann vielleicht die Vorgesetzten bei der Bewertung ihrer Untergebenen?
Um dies zu überprüfen, könnte man z.B. die Beurteilungen ein und desselben Untergebenen durch mehrere Vorgesetzte vergleichen. Genau dies haben Conway & Huffcutt (1997), in einer Metaanalyse gemacht.[1] Mit etwa 18% Übereinstimmung spricht das Ergebnis jedoch nicht unbedingt dafür, dass unterschiedliche Vorgesetzte das gleiche Bild von ein und demselben Untergebenen haben und diesen entsprechend einheitlich beurteilen. Noch etwas schlechter ist das Verhältnis, wenn man die Selbsteinschätzung des Untergebenen mit der Bewertung des Vorgesetzten vergleicht. Hier kommen Harris & Schaubroeck (1988) in einer Metaanalyse zum Ergebnis, dass Selbst- und Fremdeinschätzung nur zu etwa 12% deckungsgleich sind.[2] Diskrepanzen zwischen Vorgesetztem und Untergebenen sind also vorprogrammiert. Mit der Folge, dass zumindest bei einer schlechteren als der erwarteten Beurteilung die Akzeptanz der Beurteilung und damit deren motivationale Wirkung, beim Untergebenen nicht steigen, sondern vermutlich sinken wird.
Und da in vielen Fällen eine volle Erfüllung aller Beurteilungskriterien schon aus Prinzip nicht in Frage kommen wird, sollte über die Notwendigkeit von jährlichen Beurteilungen und Mitarbeitergesprächen intensiv nachgedacht werden.
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Erste Ideen zur Lösung der Frage könnten zum Beispiel sein, die Vorgesetzten in Seminaren zu den bei uns allen vorkommenden Bias wie Halo-Effekt, Parataxe oder Stereotyp etc. zu schulen oder einfach grundsätzlich über den Sinn und Zweck den die jeweilige Organisation mit jährlichen Beurteilungen verfolgt zu reflektieren.
Apropos motivationale Wirkung. Was Motivation ist und einige Motivationskonzepte planen wir, demnächst in einem Blogbeitrag, wahrscheinlich eher in mehreren, etwas näher zu beleuchten.
[1] Conway, J. M., & Huffcutt, A. I. (1997). Psychometric properties of multisource performance ratings: A meta-analysis of subordinate, supervisor, peer, and self-ratings. Human Performance, 10(4), 331–360. https://doi.org/10.1207/s15327043hup1004_2
[2] Harris, M. H. & Schaubroeck, J. (1988). A meta-analysis of self-supervisor, self-peer, and peer-Supervisor ratings. Personel Psychology, 41(1), 43-62. https://doi.org/10.1111/j.1744-6570.1988.tb00631.x