Komplexität aller Orten

Lassen sich Veränderungen in komplexen Systemen gestalten? - Ein Blogbeitrag in zwei Teilen (Teil 1)

Unsere Welt ist von Transformationen und Komplexität geprägt. So befinden wir uns nach allgemeiner Meinung auf dem Weg ins digitale Zeitalter (digitale Transformation), wissen aber nicht, was das genau bedeuten wird. Gleichzeitig werden Warenketten globalisiert, der Verkehr elektrifiziert und veränderte Erwartungen an die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen zwingen zu nachhaltigerem Wirtschaften.

Unsere Umwelt ist schlicht VUCA (volatility, uncertainty, complexity und ambiguity), um auch mal, ein auf diese Situation passendes Buzz-Word zu benutzen.

Ein wesentlicher Bestandteil von VUCA ist complexity also Komplexität.

Aber was genau ist Komplexität und lassen sich Veränderungen in komplexen Systemen gestalten?[1] 

Komplex wird im allgemeinen Sprachgebrauch synonym für „kompliziert“ verwendet. Kompliziert wiederum hat sich aus dem Französischen bzw. Lateinischen für die deutschen Bezeichnungen „verwickelt, undurchschaubar, schwierig“ eingebürgert.

Doch wo nun liegt der Unterschied zwischen kompliziert und komplex, und gibt es ihn überhaupt?

Als „kompliziert“ wird ein System bezeichnet, das verwickelt oder besser schwierig zu überblicken ist. Mit Hilfe genauer Analyse lässt sich das System jedoch in seine Einzelteile (oder Subsysteme) zerlegen und so die „Verwicklung“ auflösen. Es wird so möglich, das Gesamtsystem zu verstehen. Kompliziert erscheint einem ein System immer dann, wenn einem das notwendige Wissen zum Verstehen des Systems fehlt.

Komplexe Systeme lassen sich im Deutschen am besten mit „vielschichtig oder allseitig“ umschreiben. Im Gegensatz zu komplizierten Systemen führt bei ihnen eine Analyse und Zerlegung in Einzelteile oder Subsysteme nicht zum besseren Verständnis des Gesamtsystems.  Dies liegt an der Wechselwirkung bzw. Vernetzung der Einzelteile, deren Mehrdimensionalität sich durch Zerlegung nicht erfassen lässt. Komplex ist ein System also immer dann, wenn es sich in seiner Gänze auch mit umfassendem Wissen einem Gesamtverständnis entzieht. Oder anders ausgedrückt unter veränderten Kontextbedingungen immer wieder Überraschungen bereithält.

Wie nun aber lässt sich das Wissen über komplexe Systeme für die Gestaltung von Veränderungsprozessen in Unternehmen und Organisationen nutzen?

Die neun fundamentalen Organisationsprinzipien komplexer Systeme nach Kelly, 1995 bieten hierfür einen möglichen Ansatzpunkt.

1. Auf Subsysteme verteilte Intelligenz macht agil!

Die verteilte Intelligenz dezentral organisierter Organisationen ermöglicht eine schnellere und bessere Einstellung auf die jeweiligen Kontextbedingungen. Aus der Zusammensetzung einer Vielzahl von Subsystemen und deren Verknüpfungen untereinander entstehen komplexe anpassungsfähige Systeme, die ohne zentrale Steuerung, also weitgehend autonom auf Veränderungen der Umwelt reagieren. Die Verhaltensweisen der Mitglieder in diesen Systemen/Subsystemen sind dadurch lebendig, dynamisch und oft intelligent und werden auch so von außen wahrgenommen (Stichwort agile Organisationen). Derart organisierte Systeme zeigen auch ohne zentrale Steuerung ein sehr kohärentes, hochgradig koordiniertes Systemverhalten. Um als Organisationen flexibel auf die sich ständig ändernden Umwelt- und Markteinflüsse reagieren zu können, scheinen Organisationen, die eine Kultur geschaffen haben, in der sich die Intelligenz auf die Subsysteme verteilt deutlich besser geeignet als zentralistisch organisierte Organisationen. 

2. Dezentrale Systeme werden „von unten herauf“ gelenkt!
In dezentral organisierten komplexen Systemen müssen die Lenkungsimpulse und Ideen zwangsläufig von der untersten und nicht von der obersten Ebene ausgehen. Komplexe adaptive Systeme sind dadurch deutlich besser und schneller in der Lage auf die Veränderungen zu reagieren und passende Lösungen zu finden, als in einem hierarchisch organisierten System mit einer globalen Top-Down-Steuerung.

3. Konstruktive Feedbackkultur ist Voraussetzung für Weiterentwicklung!

Unter dem Prinzip der „Kultivierung zunehmender Grenzerträge“ ist der Schneeballeffekt zu verstehen, der durch positives Feedback entsteht (positiver Rückkoppelungsmechanismus). Übersetzt auf Veränderungsprozesse könnte dies bedeuten, dass Organisationen die eine auf Weiterentwicklung ausgelegte konstruktive Feedbackkultur haben, Veränderungen nicht nur offener gegenüberstehen, sondern durch sich aus dem Feedback ergebende permanente Veränderungen ihre Lebens- und Entwicklungsfähigkeit sicherstellen. Darüber hinaus trägt die „Kultivierung zunehmender Grenzerträge“ zur  Weiterentwicklung des Systems selbst sowie der im System tätigen Menschen bei, was wiederum mit positiven Veränderungen des Systems und der Menschen verbunden sein wird.

Die Prinzipien vier bis acht folgen in Teil 2, den wir in der nächsten Woche veröffentlichen.

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So lassen sich, insbesondere in kleinen bis mittleren Organisationseinheiten und Unternehmen situative Muster und die Passung organisationaler Strukturen sicht- und bewertbar machen und mit vergleichsweise geringen, immer aber maßgeschneiderten Maßnahmen Veränderungen anstoßen. Sprechen Sie uns an und nutzen auch Sie die Vorteile einer kontinuierlichen  Veränderungsbegleitung (Mobil: +49 1590 / 67 55 324 oder info@thinkadwise.de)!


[1] Die Ausführungen basieren auf der 1995 erschienenen zweite Auflage von Kevin Kellys „Out of Control: The New Biology of Machines, Social Systems and the Economic World“ in dem er komplexitäts- und managementwissenschaftliche Erkenntnisse und Überlegungen verbindet. Sie wurden im Rahmen des arbeits- und organisationspsychologischen Studiums an der Schumpeter School of Business and Economics vom Autor erstmals im Jahr 2020 erstellt.