Chancengleichheit – Gedanken zum Weltfrauentag und Equal Pay Day

Vorgestern war der 8. März, Weltfrauentag. Seit dem Jahr 2019 ein gesetzlicher Feiertag in Berlin. Wie an Feiertagen üblich, hatte mein Lieblings-Radiosender radioeins (laut Wikipedia ist Radio ein Medium zur Verbreitung von Information und Unterhaltung in Form von Tönen wie Musik und Sprache) einen radioday ausgerufen. Es ging den ganzen Tag um die Rolle von Frauen in unserer Gesellschaft. Ein Thema, das – eigentlich schon mehr als erstaunlich – auch im Jahr 2021 nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Erfreulicherweise wird die Rolle der Frauen, aber auch die Benachteiligung jeglicher anderer Identitäten und Lebensmodelle unter Stichworten wie Equality, Care Arbeit, Mehrfachbelastung, Gender-Pay-Gap oder Diversityn zunehmend in der Öffentlichkeit thematisiert.

Am heutigen Mittwoch, dem 10. März ist übrigens Equal Pay Day in Deutschland. Das ist der Tag, der symbolisch den geschlechterspezifischen Entgeltunterschied markiert. Frauen arbeiten im Vergleich zu Männern in Deutschland fast ein Vierteljahr kostenlos. Okay, das ist vielleicht nicht ganz sauber argumentiert, aber unter der Prämisse, dass Frauen genauso viel, wenn nicht sogar mehr leisten als „vergleichbare“ Männer, schon ein Unding und hoffentlich bald überwunden. In Österreich war der Equal Pay Day übrigens schon am 21. Februar. Immerhin!

Am Abend ging es dann in einer Talkshow mit dem Titel „Frauen in der Pandemie – Backlash durch Corona?“ unter anderem auch ums Thema Elternzeit und Elterngeld. Dabei kamen die beteiligten Journalistinnen auch auf Zahlen zur Inanspruchnahme von Elterngeld zu sprechen. Nach einer Studie des DIW (2019) beziehen zwar immer mehr Väter Elterngeld. Im Schnitt ist es jeder vierte Vater, allerdings ist deren Elternzeit ganz überwiegend auf die sogenannten zwei Vätermonate beschränkt.  Gründe hierfür sind laut DIW befürchtete berufliche und finanzielle Nachteile. Bei der Frage, ob zur Herstellung gleicher Bedingungen die Auszahlung des Elterngeldes, an eine gleiche Verteilung der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern geknüpft werden sollte, gingen die Meinungen dann auseinander.

Dies alles hat mich, ausgehend von meinen eigenen Erfahrungen, zum Nachdenken angeregt. Hier nun meine ganz persönlichen Gedanken zum Thema Elterngeld, Equal Pay und ganz global zu Gleichberechtigung und Quote. Voila….

Als ich vor fast auf den Tag sechs Jahren meinen Antrag auf Elternzeit bei meinem damaligen Arbeitgeber abgab, erntete ich von den leitenden Positionen Kopfschütteln, ungläubige Blicke und etwa anderthalb Jahre später einen Fast-Rechtsstreit. Einmal wurde ich sogar gefragt, ob ich denn nach Ende der Elternzeit überhaupt wieder zurück könne. Rein rechtlich keine Frage, aber es sollte anders kommen.

Zugegeben, der Zeitpunkt war nicht optimal, stand doch die vage Möglichkeit einer Beförderung im Raum. Mein damaliger Vorgesetzter sollte in die neu geschaffene erweiterte Geschäftsleitung aufrücken und neben anderen auch weiterhin für unser Thema verantwortlich zeichnen. Weshalb seine Position nachbesetzt werden sollte, weiß ich nicht genau, wahrscheinlich, weil es sie nun einmal gab.  

Wie sich entscheiden, für die einmalige, wenn auch vage Chance auf eine Irgendwie-Karriere oder für die Familie und Zeit mit meinem Kind?

Ich habe mich seinerzeit für Kind und Familie entschieden und meiner Karriere nicht nur bei diesem, sondern auch bei potentiell neuen Arbeitgebern einen gewaltigen Knick verpasst.

Durfte ich bis zur Elternzeit auf der nationalen, europäischen und internationalen Bühne neue gesetzliche Vorgaben analysieren und verhandeln, die Ergebnisse auf Vorstandsebene kommunizieren und vertreten, wurden mir, wenn überhaupt, nur noch Stellen deutlich unter der bisherigen Bedeutungs- und Verantwortungsstufe angeboten. Begründung, sofern überhaupt irgendetwas begründet wurde, mir fehle es bspw. für die Leitung eines Zwei-Personen-Teams an disziplinarischer Führungserfahrung. Wer weiß, wie die Kolleg*innen da drauf waren?

Es entstand für mich die abstruse Situation, dass ich aus Sicht der Entscheider für verantwortungsvolle Positionen nicht mehr in Frage kam, für die angebotenen Stellen aber mehr als nur überqualifiziert war. Das merkten natürlich auch die Kollegen und begegneten mir mit einer gehörigen Portion Skepsis, so nach dem Motto: „Was wollen Sie hier, Sie sind doch hier total falsch und sollten eher da oder dort arbeiten.“ Ganz zu schweigen von meiner Motivation, die auf irgendwie wundersame Weise mit den Aufgaben zu korrelieren schien.

Warum schreibe ich das so ausführlich auf, obwohl ich mir absolut bewusst bin, dass ich von meinem Einzelfall versuche, auf die Allgemeinheit zu schließen? Weil mir schwant, dass das Problem mit der beruflichen Chancengleichheit von Männern und Frauen irgendwie tiefer liegen muss und sich nicht so einfach mit Frauenquoten in Vorständen und paritätischer Elternzeit beseitigen lassen wird.   

Könnte es sein, dass die unbestritten strukturelle Benachteiligung von Frauen, in Wirklichkeit gar keine absichtliche Benachteiligung von Frauen ist, sondern zu einem Gutteil auf dem mechanistischen Menschenbild des Industriezeitalters fußt? Kommt es darauf an, dass die Menschen die ihnen von einigen wenigen, besser „Aus-“gebildeten zugewiesene Arbeit möglichst fehlerfrei und ohne Widerworte ausführen und sich auch sonst angepasst (konformistisch) verhalten, sind Mütter und manchmal eben auch Väter (oder kurz praktizierende Eltern) das Körnchen Sand im Getriebe, die den gut geschmierten Apparat ins Stottern bringen können. Stellen sie doch im Zweifelsfall ihre oder besser die Interessen ihrer Kinder über die der jeweiligen Organisation. Dies wiederum könnte dazu führen, dass sie nicht in höhere Positionen befördert werden, weil man nie weiß, ob sie nicht ihre „ständig“ kranken Kinder pflegen, Schulaufführungen besuchen oder an Elternabenden etc. teilnehmen müssen. Soviel Unberechenbarkeit ist mit verantwortungsvollen und damit meist auch besser bezahlten Positionen nun wirklich nicht vereinbar.

Wenn wir uns an der Schwelle zum postindustriellen-Zeitalter befinden, in dem Arbeits- und Kapitalressourcen durch Wissen und Information als Hauptquellen der wirtschaftlichen Wertschöpfung ersetzt werden, macht dieses mechanistische Menschenbild überhaupt keinen Sinn mehr. Denn warum um alles in der Welt sollte man auf das Wissen und die Kompetenzen von mindestens der Hälfte der Weltbevölkerung verzichten. Weil sie Frauen sind, ja wohl bestimmt nicht, das macht schon rein wirtschaftlich keinen Sinn. Weil sie als Mutter (Eltern) keine guten Ideen mehr haben „werden“, klingt auch nicht wirklich überzeugend. Aber warum dann? Etwa weil mit einem traditionellen Menschenbild ausgestattete Führungspersönlichkeiten ihre Macht sichern und ein tradiertes System aufrechterhalten?

Wenn dem so ist, brauchen wir ganz, ganz dringend ein neues, ein modernes Menschenbild. Ansonsten sehe ich für unsere Zukunft nicht nur in Fragen der Gleichstellung von Frauen und Männern nicht viel Gutes. Sollten Quoten und paritätische Verteilung dabei helfen, macht mehr davon – und zwar schnell.

Ich hätte da aber noch einen anderen Vorschlag, der am System der Organisationen ansetzt. Ist nur so eine Idee, aber vielleicht funktioniert´s. Baut Organisationen nicht pyramidal auf und lasst nicht einige wenige über alle anderen entscheiden, sondern setzt auf Verantwortung und Zusammenarbeit z.B. in Rollenmodellen. So lassen sich nicht nur das in einer Organisation vorhandene Wissen und die Kompetenzen erschließen und zielführend einsetzen, sondern es kann auch flexibel auf unterschiedliche Lebensphasen, sprich die Bedürfnisse des Einzelnen Rücksicht genommen werden. Und weil nicht alle in einem kurzen Zeitfenster einen möglichst aussichtsreichen „Chef-Posten“ ergattern müssen, sollte sich das auch mit der Chancengleichheit und dem Equal Pay recht zügig erledigen.

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