Seit gut einem Jahr arbeiten viele mehr oder weniger in den heimischen vier Wänden. Und glaubt man den Ankündigungen vieler Unternehmen, soll das auch so bleiben (z.B. Der Spiegel,18.11.2020).
Gleichzeitig macht sich bei vielen Mitarbeitern und ihren Führungskräften im Vergleich zur Euphorie des letzten Jahres eine gewisse Ernüchterung breit. Lassen sich doch Privat- und Arbeitsleben nur schwer trennen, der Flurfunk mit den Kollegen fehlt und überhaupt ist work from home eine Kreativitätsbremse (z.B. Handelsblatt, 13.02.2021), und auch das mit der „virtuellen“ Führung funktioniert nicht einfach so von selbst.
Zum Glück gibt es jede Menge Beiträge mit Ratschlägen, bei deren Beachtung es dann auf jeden Fall klappen wird mit der Fern-Motivation (z.B. karriere.de, 23.11.2020). Immer mit dabei: Vertrauen aufbauen, Flurfunk ersetzen und mit viel Empathie die Fürsorgepflichten wahrnehmen.
Hierzu wird regelmäßig die Einrichtung einer virtual coffee time (alternativ auch ein virtual lunch) empfohlen. Dabei treffen sich die Kollegen völlig zwanglos, jeder mit seinem Kaffeepott, zu einer Videokonferenz, zu einer vorher festgelegten Zeit in einem extra reservierten virtuellen Raum. Hier tratschen sie dann mit dem Chef über Gott und die Welt. Dieser erfährt so, was abgeht, wie das Befinden ist und präsentiert sich als Buddy. Die Kollegen, die etwas down rüberkommen, werden dann zusätzlich in einer telefonischen Privataudienz aufgebaut. Und schwups, alle sind happy und mega motiviert.
Okay, mag sein, dass das funktioniert. Aber wie um alles in der Welt haben die jetzt virtuellen Chefs ihre Mitarbeitenden vorher „de“-motiviert? Und sind nicht Vertrauen, Fürsorge und Zuhören auch in der analogen Welt der Stoff aus dem die „Träu..“; oder hier treffender eine motivierende Zusammenarbeit ist?
Was aber ist eine motivierende Zusammenarbeit oder einfacher Motivation überhaupt? Hierzu ein paar kurze Gedanken, die ich bereits an anderer Stelle anstellen durfte.
Campbell und Pritchard (1976) bezeichnen Motivation als psychologischen Prozess, der die Lenkung, den Antrieb und die Ausdauer einer Tätigkeit bestimmt.
Es ist zu vermuten, dass, um all die Dinge wie Flugapparate, Computer, Internet etc. ersinnen zu können, ein gerüttelt Maß an leidenschaftlicher Motivation erforderlich war. Immerhin wird es den einen oder anderen Rückschlag bei der Entwicklung gegeben haben.
Die Krux an Motivation ist jedoch die, dass sie sich nicht einfach bestimmen und damit auch nicht einfach beeinflussen lässt, weil jeder Mensch auf einen anderen Motivationsanreiz reagiert.
Die Arbeits- und Organisationspsychologie kennt eine Vielzahl von Forschungsansätzen zur Erklärung der Motivation. Grob lassen sie sich in Inhalts- und Prozesstheorien einteilen. Während Inhaltsmodelle versuchen, menschliches Verhalten auf der Basis konkreter psychischer Inhalte zu erklären, führen Prozessmodelle das Verhalten zusätzlich zu psychischen auch auf spezifische physische Vorgänge zurück.
Bekannt dürften die im Zusammenhang mit Motivation aus dem Lateinischen stammenden Begriffe intrinsisch und extrinsisch sein.
Von intrinsisch motiviertem Verhalten spricht man, wenn eine Handlung durch einen Tätigkeitsanreiz motiviert ist, der Anreiz also in der Tätigkeit selbst liegt. Die Tätigkeit bereitet Vergnügen und wird um ihrer selbst Willen ausgeführt, ohne dass es dafür einer Belohnung (eines Anreizes) von außen bedarf. Intrinsische Motivation entsteht meist bei anspruchsvollen Tätigkeiten, bei denen der Ausübende Art und Weise der Ausführung bestimmen kann, die Tätigkeit also wirksam und selbstbestimmt ausführt (Brandstätter, Schüler, Puca & Lozo, 2018).
Eigentlich genau das, was man möchte. Nur für Motivation durch eine Führungskraft lässt sich hier – analog wie digital – nur schwer Bedarf erkennen. Schließlich erfolgt die „Motivation“ bei der Konzeption der Arbeitsinhalte, und die dürften sich allein durch die Verlegung an einen anderen Ort nicht ändern. Die Arbeitsinhalte sind und bleiben motivierend, nur funktionierende Rahmenbedingungen müssten geschaffen werden.
Extrinsische Anreize haben im Gegensatz dazu belohnenden Charakter. Sie liegen außerhalb der Tätigkeit und wirken erst nach erfolgreicher Ausführung der Tätigkeit (Brandstätter et al., 2018). Als extrinsisch motiviertes Verhalten kann eine Handlung bezeichnet werden, die nicht Selbstzweck ist, sondern der Erreichung eines äußeren (externen) Ziels dient.
Hier kommen wir dem wohl tatsächlich vorherrschenden Zustand schon näher, schließlich sind Organisationen und Unternehmen Gebilde, die der Erreichung eines bestimmten Zwecks dienen. Es geht also darum, den Zweck zu erreichen, hierzu Ziele zu setzen und deren Erreichung zu überprüfen.
Das Führungskräfte, die schon vor work from home ein eher fragwürdiges Vertrauensverhältnis zu ihren Mitarbeitenden hatten, einen Kontrollverlust erleiden, und Mitarbeitende, die die ihnen zugewiesenen, wenig inspirierenden Aufgaben auch mal schleifen lassen, verwundert sicher kaum jemanden. Nur wie soll man das jetzt auch noch digital ändern?
Guter Rat ist hier nicht nur teuer, sondern unbezahlbar. Obwohl, ich hätte da schon eine ziemlich unpopuläre Idee, die ich aber wohl besser für mich behalte.
Jedenfalls die Chefs, die schon vor Corona ein gutes, auf Vertrauen basierendes Verhältnis zu ihren Leuten hatten, werden auch mit remote working kaum Probleme haben. Und den Chefs, die klassisch nach dem command and control Modell führen bzw. geführt haben, denen hilft meist auch kein virtueller Kaffee. Denn Vertrauen kann man weder anordnen noch einfach mal so in einer nett bezeichneten Videokonferenz entstehen lassen. Man muss es „wieder“ aufbauen, und das geht am einfachsten offline.
In dem Sinne: „Keep calm and drink coffee“
Campbell, D. J. & Pritchard, R. (1976). Motivation theory in industrial and organizational psychology. In M.D. Dunnette (Hrsg.), Handbook of industrial and organizational psychology, (S. 63-130). Chicago: Rand McNally.
Brandstätter V., Schüler J., Puca R. M. & Lozo, L. (2018). Motivation und Emotion. Berlin: Springer.